Geschichte
Burg Nideggen – eindrucksvoller Zeuge mittelalterlicher Kultur
Burg Nideggen wurde im 12. Jahrhundert als Wohnsitz der Grafen von Jülich aufgrund der strategischen Überlegung gebaut, der von Steilhängen flankierte Höhenrücken böte Schutz vor Angriffen. Bei dieser ersten Anlage handelte es sich um eine Turmburg, bestehend aus dem heutigen Donjon (französisch "donjon", zurückgehend auf das gallo-römische "dominiono" = Hauptturm), einer Ringmauer sowie weiteren Wirtschaftsgebäuden. Entgegen der oft noch vertretenen Meinung ist der Verteidigungswert eines Donjons ebenso wie der des später aufkommenden Bergfrieds relativ zu bewerten. Vor allem stellten die Türme ein weithin sichtbares Macht- und Herrschaftssymbol dar.
Ihre kulturelle und bauliche Blütezeit erlebte die Burg zwischen dem 13. bis Anfang des 16. Jahrhunderts. Noch heute steht sie in einer Reihe mit Residenzschlössern wie Heidelberg und Marburg und zählt zu den bedeutendsten Beispielen spätmittelalterlicher Residenzburgen.
Im 13. Jahrhundert rangen die Kölner Erzbischöfe mit mehreren regionalen Grafschaften um die Vormacht am Niederrhein. Erst die Schlacht bei Worringen 1288 beendete die Dominanz des Erzbistums Köln. Davon profitierten insbesondere die Jülicher Grafen.
Im Laufe der Jahre stieg man zur Vormacht am Niederrhein auf und 1356 wurde die Grafschaft zum Herzogtum Jülich. Um den wachsenden Repräsentationsaufgaben gerecht zu werden wurde ein gewaltiger Palas mit angrenzendem Wohnbau errichtet. Im 15. Jahrhundert errichtete man ausgedehnte Zwingeranlagen. Dank dieser Baumaßnahmen war die Burg Nideggen glänzender politischer und kultureller Mittelpunkt Jülichs als auch die militärisch sicherste Burganlage des Herzogtums.
Herzog Wilhelm V. der Reiche war Repräsentant der mächtigen Burg Nideggen bevor sie erste Zerstörungen erlitt. Im 16. Jahrhundert sollten sich die neuen Feuerwaffen gegenüber einigen Gebäudeteilen als stärker erweisen.
So wurde die Anlage bereits 1542 in Folge des Geldrischen-Erbfolgekriegs unter Kaiser Karl V. zerstört. Mitte des 17. Jahrhunderts wurde die Burg Opfer weiterer Angriffe, so auch 1678 durch den Sonnenkönig Ludwig und fiel dem stetigen Verfall immer mehr anheim.
Ein Erdbeben 1878 sorgte zusätzlich für starke Beschädigungen, doch ab 1902 wurde Burg Nideggen wieder aufgebaut und ab 1922 als Heimatmuseum genutzt. Nach ihrer erneuten Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wurde die Burg abermals ab Anfang der 50er Jahre wieder hergerichtet und beherbergt seit 1979 im Bergfried das Burgenmuseum, das seine Besucher mit viel Liebe zum Detail in die Zeit der Ritter und der feudalen Feste eintauchen lässt. Die Burg und das Museum sind im Eigentum des Kreises Düren.
Der Bergfried
Erstes Gebäude der Höhenburg Nideggen war der Bergfried, der zwischen 1177 und 1190 entstand. Er diente als Wohn- und Wehrturm, denn mit seinen bis zu zwei Meter dicken Mauern war er das sicherste Gebäude der mittelalterlichen Burg. Bauherr war Graf Wilhelm II. von Jülich, der die Waldgrafschaft des Hoheitsgebietes Nörvenich und Molbach zum Bau der Burg von Adalbert von Molbach als Mitgift für seine Heirat mit dessen Tochter Alveradis erhielt.
Eine Burg diente im Mittelalter vor allem der eigenen Sicherheit. Daher war die Wahl des Standortes vor allem von strategischen Gesichtspunkten bestimmt. Der Ort, den Graf Wilhelm II. von Jülich für den Bau seiner Burg ausgewählt hatte, war ein optimaler Standort für eine Festung, denn durch seinen hoch herausragenden Fels war er nur schwer einzunehmen und bot gleichzeitig einen kilometerweiten Ausblick, um herannahende Feinde frühzeitig auszumachen.
Das im Jahr 1979 eröffnete Burgenmuseum ist in diesem Teil der Burganlage beheimatet.
Der Rittersaal
Burgen hatten zur Ritterzeit vor allem zwei Aufgaben: zum einen sollten sie die Macht des Herren widerspiegeln, zum anderen die Burgbewohner vor Angreifern und Feinden schützen.
Die prachtvolle Burg Nideggen wurde 1347 mit einem doppelstöckigen gotischen Rittersaal einer Größe von 61 x 16 Metern ausgestattet. Dieser so genannte Palas bildete im Mittelalter mit seinen rund 1000 qm für Burg Nideggen eine sehenswürdige Besonderheit - denn neben dem Aachener Kaisersaal und dem Kölner Gürzenich war er damit einer der größten Festsäle in Deutschland.
Der Palas (lat. Palatium) war im Mittelalter das repräsentative Hauptwohngebäude, das mit Speisesaal, Versammlungsraum und Arbeitsraum für den Burgherren ausgestattet war. Der Rittersaal bot den Rahmen für Feste nach Ritterturnieren. Dabei ging so manche Festlichkeit auf Burg Nideggen in die Geschichte ein. So wurde 1356 im Palas auf Burg Nideggen ein großes Fest gefeiert, bei dem Graf Wilhelm IV. durch Kaiser Karl IV. in den Herzogstand erhoben wurde. Graf Wilhelm IV. hieß von da an Herzog Wilhelm I.
Der Palas der Burg Nideggen wurde, wie damals allgemein üblich, an der Seite der Burg mit dem am stärksten abfallenden Hang gebaut. Denn mit dem dünnsten Mauerwerk der Burg bildete er die größte Schwachstelle der Burg und war damit bevorzugtes Angriffsziel für herannahende Feinde. Durch die Position am Steilhang sollte somit eine Eroberung der Burg erschwert werden, ohne auf die Pracht eines eigenen Rittersaals verzichten zu müssen. Als weiteres Symbol für Macht und Reichtum der Herren auf Burg Nideggen wurde in der oberen Hälfte der großen Kreuzfenster Buntglas eingesetzt. Damit Feinde bei einem Überfall nicht allzu leicht durch die Fenster in das Gebäude eindringen konnten, ließen die Burgherren an der unteren Hälfte der Kreuzfenster Gitter einbauen.
Das Verlies
Der Bergfried entstand als erstes Gebäude der Burg im Zeitraum von 1177 bis 1190. Bestandteil des Bergfriedes war auch das Verlies. Die Verurteilten wurden direkt vom Gerichtssaal durch das so genannte Angstloch (eine Deckenöffnung im Gerichtssaal) in das Verlies überführt.
Nur zu verständlich, dass den Gefangenen vor der Aussicht graute, über mehr als drei Meter in die dunkle ungewisse Tiefe hinuntergelassen zu werden — denn das Angstloch war der einzige Zugang zum Verlies. An einem Seil glitten die Gefangenen dabei hinab. Anschließend verriegelten die Burgherren die Öffnung des Verlieses mit einer Eisenplatte, so dass die Häftlinge — oft für Wochen und Monate — in dem dunklen, feuchten, kalten und übel riechenden Gefängnis ausharren mussten - in zermürbender Ungewissheit über den weiteren Verlauf ihres Schicksals.
Zu den berühmtesten Gefangenen auf Burg Nideggen gehörten die Kölner Erzbischöfe Konrad von Hochstaden und Engelbert von Falkenburg. Konrad von Hochstaden verweilte 1242 für neun Monate im Verlies der Burg nach der Schlacht im Badewald 1242 bei Nideggen. Denn das friedliche Verhältnis, das Wilhelm II. mit den Kölner Erzbischöfen zuvor gepflegt hatte, verschlechterte sich mit seinen Nachfolgern. Grund für den schicksalhaften Streit zwischen Burgherren und den Kölner Erzbischöfen war der Ort Zülpich, der zwar im Besitz der Jülicher Grafen, jedoch auch interessant für den Kölner Erzbischof war.
Nachdem Konrad von Hochstaden die Schlacht verloren hatte, wurde er gefangen genommen und für neun Monate inhaftiert. Erst nach Zahlung eines hohen Lösegeldes und dem „Friedensvertrag von Nideggen” wurde der Erzbischof freigelassen. Man mag hier die These wagen, dass Konrad von Hochstaden in der Einsamkeit des Verlieses der Gedanke an den Bau des Kölner Doms kam, dessen Bau er 1248 in Auftrag gegeben hat. Nach dem Konrad von Hochstaden gestorben war, entbrannten die Konflikte erneut: 1267 wurde Engelbert II. von Falkenburg in einer Schlacht zwischen Lechenich und Zülpich gefangen genommen und verbrachte dreieinhalb Jahre im Verlies der Burg. Heute können sich die Besucher des Bergfriedes im Verlies anhand einer Effektschau das Schicksal der Gefangenen auf Burg Nideggen vortragen lassen.
Der Burggarten
Fast jede Burg, so auch die Burg Nideggen, hatte Nutzgärten. Um die Burg herum gab es Obst-, Gemüse- und Kräutergärten, die der Ernährung der Burgbewohner dienten. Man ernährte sich saisonal und erntete was die Natur in der jeweiligen Jahreszeit hergab.
Auf den ansteigenden Terrassen zwischen Burgvorhof und Wohn- und Wehrturm ist heute ein kleiner Burggarten angelegt. Angepflanzt sind Kräuter, die es auch im Mittelalter gab.
Der Brunnen
Auf dem oberen Burghof der Burg Nideggen, umgeben vom Donjon, den Stallungen, dem Wohngebäude der Burgherrenfamilie ab dem 14. Jahrhundert sowie dem großen Palas, befand sich ein Brunnen. Der ca. 100 m in Fels geschlagene Brunnen diente der Wasserversorgung der Burgbewohner. Bei der enormen Tiefe ist von einer soliden Kurbeltechnik auszugehen, welche dennoch einen erheblichen Arbeitseinsatz erforderte, um Wasser zutage zu fördern.
Der Standort eines Brunnens bestimmte sich nach den örtlichen Gegebenheiten. So hatten sowohl die Kernburg als auch die Siedlung einen eigenen Brunnen. Im Belagerungsfall konnten sich Burgbewohner und mittelalterliche Stadt unabhängig voneinander versorgen.
Seit den Renovierungsarbeiten nach dem zweiten Weltkrieg ist der Brunnen heute noch ca. 30 Meter tief.