- Allgemeines zur Pflegeversicherung
- Anspruchsvoraussetzungen (Mitgliedschaft)
- Antragstellung
- Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherungen (MDK)
- Pflegebedürftigkeit
- Können auch Kinder pflegebedürftig sein?
- Pflegegrade
- Leistungen der Pflegeversicherung bei stationärer und ambulanter Pflege
Allgemeines zur Pflegeversicherung
Seit dem 01.01.1995 gibt es die Soziale Pflegeversicherung (SGB XI), am 01.01.2013 trat das Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz in Kraft, seit 2015 die Pflegestärkungsgesetze.
Bereits seit 1. Januar 2015 gelten die Änderungen des Ersten Pflegestärkungsgesetzes (PSG I) und damit umfangreiche Leistungsverbesserungen. Mit dem Zweiten Pflegestärkungsgesetz (PSG II) wurde zum 1.1.2017 ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff und ein neues Begutachtungsverfahren eingeführt. Die bisher gültigen Pflegestufen wurden ebenfalls zum 1.1.2017 durch neue Pflegegrade mit neuen Leistungsbeträgen ersetzt.
Durch diese Änderungen können Pflegebedürftige und ihre Familien die Leistungen der Pflegeversicherung wesentlich besser auf ihre jeweilige Situation zuschneiden. Damit die Hilfe, die benötigt wird, zügig bei den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen ankommt, stärkt das Dritte Pflegestärkungsgesetz (PSG III) die Pflegeberatung in den Kommunen. Pflegebedürftige und ihre Angehörigen erhalten dadurch eine Beratung aus einer Hand. Zu allen Zweigen der Sozialversicherung müssen Beiträge entrichtet werden, um Leistungen zu finanzieren. Dies gilt natürlich analog für die Pflegeversicherung.
Anspruchsvoraussetzungen (Mitgliedschaft)
Um die Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch zu nehmen, muss der Betroffene Mitglied einer Pflegekasse sein. Dabei sind familienversicherte Angehörige automatisch mit pflegeversichert. Die Pflegekasse ist immer bei der Kasse angesiedelt, bei der man auch krankenversichert ist.
Um Pflegeleistungen voll in Anspruch nehmen zu können, muss die bzw. der Versicherte in den letzten 10 Jahren vor der Antragstellung 2 Jahre in die Pflegekasse als Mitglied eingezahlt haben oder familienversichert gewesen sein.
Wer privat krankenversichert ist, ist zumeist auch beim selben Versicherer privat pflegeversichert. Hier schafft ein Blick in die Versicherungsverträge Klarheit.
Antragstellung
Die Leistungen des Pflegeversicherungsgesetzes werden nur auf Antrag von der entsprechenden Pflegekasse gewährt. Antragsformulare hält die Pflegekasse bereit. Es kann auch ein schriftlicher, formloser Antrag gestellt werden. Für die Antragstellung ist ein ärztliches Attest nicht erforderlich. Der Antrag wird an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherungen (MDK) weitergeleitet.
Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherungen (MDK)
Die Pflegekasse lässt vom Medizinischen Dienst, von anderen unabhängigen Gutachterinnen und Gutachtern oder bei knappschaftlich Versicherten vom Sozialmedizinischen Dienst (SMD) ein Gutachten erstellen, um die Pflegebedürftigkeit und den Pflegeaufwand im Einzelnen zu ermitteln; bei privat Versicherten erfolgt die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst von „MEDICPROOF“. Zur Begutachtung kommt die jeweilige Gutachterin oder der jeweilige Gutachter (Pflegefachkraft oder Ärztin beziehungsweise Arzt) ausschließlich nach vorheriger Terminvereinbarung in die Wohnung oder die Pflegeeinrichtung – es gibt keine unangekündigten Besuche. Zum Termin sollten idealerweise auch die Angehörigen oder Betreuerinnen und Betreuer des erkrankten Menschen, die ihn unterstützen, anwesend sein. Das Gespräch mit ihnen ergänzt das Bild der Gutachterin oder des Gutachters davon, wie selbstständig die Antragstellerin oder der Antragsteller noch ist beziehungsweise welche Beeinträchtigungen vorliegen. Ein Antrag auf Pflegeleistungen wird binnen 25 Tagen entschieden.
Zur Einschätzung der Pflegebedürftigkeit und Einstufung in einen Pflegegrad kommt seit dem 1. Januar 2017 ein neues Begutachtungsinstrument zum Einsatz. Es geht von der individuellen Pflegesituation aus und orientiert sich an Fragen wie: Was kann der oder die Pflegebedürftige im Alltag alleine leisten? Welche Fähigkeiten sind noch vorhanden? Wie selbstständig ist der oder die Erkrankte? Wobei benötigt er oder sie Hilfe? Grundlage der Begutachtung ist dabei ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff, der die individuellen Beeinträchtigungen ins Zentrum rückt – unabhängig ob körperlich, geistig oder psychisch.
Wann ist ein Mensch pflegebedürftig? Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten, denn Pflegebedürftigkeit hat ganz unterschiedliche Gesichter. Der neue, deutlich weiter gefasste Pflegebedürftigkeitsbegriff, der durch das zweite Pflegestärkungsgesetz zum 1. Januar 2017 eingeführt wurde, wird dieser Tatsache gerecht. Mit ihm verschwindet die unterschiedliche Behandlung von körperlich bedingten Beeinträchtigungen auf der einen Seite und geistig beziehungsweise psychisch bedingten Beeinträchtigungen auf der anderen. Bezog sich Pflegebedürftigkeit bislang vor allem auf körperlich bedingte Beeinträchtigungen, werden jetzt auch geistige und psychisch bedingte Beeinträchtigungen stärker berücksichtigt. Es kommt also nicht mehr wie bisher auf den zeitlichen Hilfebedarf bei vorrangig körperlichen Verrichtungen an, sondern was zählt, sind der einzelne Mensch und das Ausmaß, in dem er seinen Alltag alleine bewältigen kann. Statt drei Pflegestufen und der zusätzlichen Feststellung einer „erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz“, zum Beispiel aufgrund einer Demenz, gibt es seit dem 1. Januar 2017 fünf Pflegegrade. Die Begutachtung führt also zu einer individuelleren Einstufung, denn sie berücksichtigt genauer und umfassender als bisher die Beeinträchtigungen und Fähigkeiten der Menschen. Davon profitieren etwa an Demenz erkrankte Personen mit ihrem besonderen Pflege- und Betreuungsbedarf.
Um festzustellen, wie selbstständig eine pflegebedürftige Person ist, wirft die Gutachterin oder der Gutachter einen genauen Blick auf folgende sechs Lebensbereiche:
- Modul 1 "Mobilität": Die Gutachterin oder der Gutachter schaut sich die körperliche Beweglichkeit an. Zum Beispiel: Kann die betroffene Person alleine aufstehen und vom Bett ins Badezimmer gehen? Kann sie sich selbstständig in den eigenen vier Wänden bewegen, ist Treppensteigen möglich?
- Modul 2 "Geistige und kommunikative Fähigkeiten": Dieser Bereich umfasst das Verstehen und Reden. Zum Beispiel: Kann sich die betroffene Person zeitlich und räumlich orientieren? Versteht sie Sachverhalte, erkennt sie Risiken und kann sie Gespräche mit anderen Menschen führen?
- Modul 3 "Verhaltensweisen und psychische Problemlagen": Hierunter fallen unter anderem Unruhe in der Nacht oder Ängste und Aggressionen, die für die pflegebedürftige Person, aber auch für ihre Angehörigen belastend sind. Auch wenn Abwehrreaktionen bei pflegerischen Maßnahmen bestehen, wird dies hier berücksichtigt.
- Modul 4 "Selbstversorgung": Kann die Antragstellerin oder der Antragsteller sich zum Beispiel waschen und anziehen, kann sie oder er selbstständig die Toilette aufsuchen sowie essen und trinken?
- Modul 5 "Selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen – sowie deren Bewältigung": Die Gutachterin oder der Gutachter schaut, ob die betroffene Person zum Beispiel Medikamente selbst einnehmen, den Blutzucker eigenständig messen, mit Hilfsmitteln wie Prothesen oder Rollator umgehen und eine Ärztin beziehungsweise einen Arzt aufsuchen kann.
- Modul 6 "Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte": Kann die betroffene Person zum Beispiel ihren Tagesablauf selbstständig gestalten? Kann sie mit anderen Menschen in direkten Kontakt treten oder die Skatrunde ohne Hilfe besuchen?
Für jedes Kriterium in den genannten Lebensbereichen ermitteln die Gutachterinnen und Gutachter den Grad der Selbstständigkeit der pflegebedürftigen Person, in der Regel anhand eines Punktwerts zwischen 0 (Person kann Aktivität ohne eine helfende Person durchführen, jedoch gegebenenfalls allein mit Hilfsmitteln) und – in der Regel – 3 (Person kann die Aktivität nicht durchführen, auch nicht in Teilen). So wird in jedem Bereich der Grad der Beeinträchtigung sichtbar. Am Ende fließen die Punkte mit unterschiedlicher Gewichtung zu einem Gesamtwert zusammen, der für einen der fünf Pflegegrade steht.
Zusätzlich bewerten die Gutachterinnen und Gutachter die außerhäuslichen Aktivitäten und die Haushaltsführung. Die Antworten in diesen Bereichen werden nicht für die Einstufung der Pflegebedürftigkeit herangezogen, weil die hierfür relevanten Beeinträchtigungen schon bei den Fragen zu den sechs Lebensbereichen mitberücksichtigt sind. Allerdings helfen diese Informationen den Pflegeberaterinnen und -beratern der Pflegekasse, wenn Pflegebedürftigkeit festgestellt wurde: Sie können die Pflegebedürftige oder den Pflegebedürftigen mit Blick auf weitere Angebote und Sozialleistungen beraten und einen auf sie oder ihn zugeschnittenen Versorgungsplan erstellen. Auch für eine Pflegeplanung der Pflegekräfte sind die Informationen als Ergänzung sehr hilfreich.
Pflegebedürftigkeit
Grundsätzlich kann Pflegebedürftigkeit im Sinne des Gesetzes in allen Lebensabschnitten auftreten. Nach der Definition des Gesetzes sind damit Personen erfasst, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Das sind Personen, die körperliche, geistige oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbstständig kompensieren oder bewältigen können. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer - voraussichtlich für mindestens sechs Monate - und mit mindestens der in § 15 SGB XI festgelegten Schwere bestehen.
Können auch Kinder pflegebedürftig sein?
Bei Kindern ist die Prüfung der Pflegebedürftigkeit in der Regel durch besonders geschulte Gutachterinnen und Gutachter des Medizinischen Dienstes oder andere unabhängige Gutachterinnen und Gutachter mit einer Qualifikation als Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen oder -pfleger beziehungsweise als Kinderärztin oder -arzt vorzunehmen. Bei pflegebedürftigen Kindern wird der Pflegegrad durch einen Vergleich der Beeinträchtigungen ihrer Selbstständigkeit und ihrer Fähigkeiten mit den Fähigkeiten altersentsprechend entwickelter Kinder ermittelt.
Eine Besonderheit besteht bei der Begutachtung von Kindern bis zu 18 Monaten. Kinder dieser Altersgruppe sind von Natur aus in allen Bereichen des Alltagslebens unselbstständig. Damit auch diese Kinder einen fachlich angemessenen Pflegegrad erlangen können, werden bei der Begutachtung die altersunabhängigen Bereiche wie "Verhaltensweisen und psychische Problemlagen" und "Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen" einbezogen. Darüber hinaus wird festgestellt, ob es bei dem Kind gravierende Probleme bei der Nahrungsaufnahme gibt, die einen außergewöhnlich intensiven Hilfebedarf auslösen.
Pflegegrade
Fünf Pflegegrade ersetzen seit dem 1. Januar 2017 die bisherigen drei Pflegestufen. Sie ermöglichen es, Art und Umfang der Leistungen der Pflegeversicherung unabhängig von körperlichen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigungen auf die jeweiligen individuellen Fähigkeiten und Bedürfnisse abzustimmen. Zugleich wurde der Anspruch auf Leistungen ausgeweitet. Die Unterstützung durch die Pflegeversicherung setzt nun deutlich früher an. Mittelfristig kann etwa eine halbe Million Menschen mit dem neuen Pflegegrad 1 erstmalig überhaupt die Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch nehmen. In den Pflegegrad 1 werden Menschen eingestuft, die noch keine erheblichen Beeinträchtigungen haben, aber schon in gewissem Maß - zumeist körperlich - eingeschränkt sind. Ihnen stehen zum Beispiel eine Pflegeberatung, eine Anpassung des Wohnumfeldes (zum Beispiel altersgerechte Dusche) sowie der sogenannte Entlastungsbetrag in Höhe von bis zu 125 Euro monatlich zu.
Wie sind die Pflegegrade gestaffelt?
Die Pflegegrade orientieren sich nach der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten der pflegebedürftigen Person. Der Pflegegrad wird mithilfe eines pflegefachlich begründeten Begutachtungsinstruments ermittelt. Die fünf Pflegegrade sind abgestuft: von geringen Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten (Pflegegrad 1) bis zu schwersten Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten, die mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung einhergehen (Pflegegrad 5). Pflegebedürftige mit besonderen Bedarfskonstellationen, die einen spezifischen, außergewöhnlich hohen Hilfebedarf mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung aufweisen, können aus pflegefachlichen Gründen dem Pflegegrad 5 zugeordnet werden, auch wenn die erforderliche Gesamtpunktzahl nicht erreicht wird. Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen konkretisiert die pflegefachlich begründeten Voraussetzungen für solche besonderen Bedarfskonstellationen in den Begutachtungs-Richtlinien.
Leistungen der Pflegeversicherung bei stationärer und ambulanter Pflege
bei vollstationärer Unterbringung
Die Pflegekassen bezuschussen auf Antrag und nach Begutachtung in der Einrichtung die vollstationäre Unterbringung ihrer Versicherten wie folgt:
- für Pflegebedürftige des Pflegegrades 1 bis zu 125 €,
- für Pflegebedürftige des Pflegegrades 2 bis zu 770 €,
- für Pflegebedürftige des Pflegegrades 3 bis zu 1.262 €,
- für Pflegebedürftige des Pflegegrades 4 bis zu 1.775 €,
- für Pflegebedürftige des Pflegegrades 5 bis zu 2.005 €.
bei ambulanter Pflege
Die Pflegeversicherung unterstützt auch Pflegebedürftige, die von Angehörigen, Freunden oder anderen ehrenamtlich Tätigen versorgt werden. Hierfür zahlt die Pflegeversicherung das sogenannte Pflegegeld.
Pflegesachleistungen
Die Pflegeversicherung übernimmt für Pflegebedürftige mit mindestens Pflegegrad 2 als ambulante Pflegesachleistungen die Kosten für die Inanspruchnahme eines Pflegedienstes für körperbezogene Pflegemaßnahmen, pflegerische Betreuungsmaßnahmen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung bis zu einem gesetzlich vorgeschriebenen Höchstbetrag.