"Wasserstoff ist vielseitig einsetzbar"
Die Energiewende, den Strukturwandel und den Klimaschutz miteinander vereinbaren? Das geht – und zwar mit dem Alleskönner Wasserstoff. Grüner Wasserstoff ist die Zukunft, wenn es darum geht, aus der Braunkohle auszusteigen, den Strukturwandel zu bewältigen und gleichzeitig das Klima zu schonen. Um das zu erreichen, muss vor allem auch die Industrie mitspielen. Seit diesem Jahr gibt es eine Steuer auf CO2, was die Produktion in einigen Unternehmen teurer macht und eine Umstellung auf CO2-neutrale Energie- und Kraftstoffe, zu denen der grüne Wasserstoff gehört, attraktiver machen soll – zumal es derzeit viele Förderprogramme gibt, die dieses Vorhaben unterstützen. „Nur wer jetzt schon die Vorteile von grünem Wasserstoff erkennt und damit in die Zukunft investiert, ist auch nachhaltig wettbewerbsfähig. Genau das wollen wir fördern und die Industrie im Kreis Düren zukunftssicher aufstellen“, weiß Landrat Wolfgang Spelthahn.
Doch in welchen Bereichen ist grüner Wasserstoff in der Industrie einsetzbar? Welche Möglichkeiten bestehen hier im Kreis Düren, in Zukunft die Arbeitswelt auf eine klimaneutrale Produktion umzustellen? Antworten auf diese Fragen kennt Marius Richter. Er ist Teil des Wasserstoff-Kompetenzteams des Kreises Düren, das sich unter anderem um die Weiterentwicklung des Kreises Düren hin zu einer Wasserstoffregion kümmert. „Wasserstoff ist vielseitig einsetzbar und sehr vielversprechend. Er ist der Energieträger der Zukunft“, sagt Richter, der mit vielen Unternehmen im Gespräch ist, um über die Vorteile aufzuklären und den Einsatz in der Industrie aufzuzeigen – Wasserstoff, der in Jülich hergestellt wird und weit über die Grenzen des Kreisgebietes Nutzen bringen wird. „Viele Unternehmen sind sehr aufgeschlossen und sehen das Potenzial, das im Wasserstoff steckt.“
Großes Potenzial im Bereich Mobilität
Großes Potenzial steckt vor allem im Bereich der Mobilität. So werden in Zukunft Busse und Züge mit Wasserstoff angetrieben. Bereits im Dezember werden die ersten Busse der Rurtalbus GmbH im Kreis Düren ankommen, die ab Januar dann schon auf der Straße fahren. Auch der Schienenverkehr wird durch Wasserstoffzüge ergänzt. Die Rurtalbahn fährt dann voraussichtlich ab 2024 mit vier Wasserstoffzügen auf den Schienen durch das Kreisgebiet. Pro Jahr werden weitere Busse hinzukommen. Zudem wird die Zahl der Wasserstoff-Züge ab 2026 auf mindestens zwölf Fahrzeuge anwachsen.
Nicht nur in der Personenbeförderung spielt der Wasserstoff eine Rolle, sondern auch in der Logistik – und zwar auf der Straße. „LKW fahren eine längere Strecke, müssen länger durchhalten. Wenn das umweltschonender als bisher sein soll, dann ist Wasserstoff beispielsweise besser als eine Batterie, die eine geringere Reichweite und längere Ladedauer hat“, weiß Richter. Die CO2-Steuer des Bundes setzt einen Anreiz, um auf klimaneutrale Antriebsformen zu wechseln. Die Unternehmen im Kreisgebiet könnten also von einer umweltfreundlichen Logistik profitieren. „Dazu braucht es natürlich auch Wasserstofftankstellen“, betont Richter. „Bald wird die erste Wasserstofftankstelle im Dürener Gewerbegebiet ‚Im großen Tal‘ eröffnet. Eine zweite öffentliche Tankstelle ist direkt am Brainergy-Park geplant, wo bald grüner Wasserstoff hergestellt wird. Die dritte wird am Bahnhof gebaut, die speziell für die Betankung der Züge und Busse geeignet ist.“ In Bezug auf die Tankstellen könne die Industrie Vorreiter sein, sagt Richter. „Dort, wo viele Betriebe Wasserstoff nutzen, entstehen Tankstellen, von denen jeder Bürger profitieren kann. So kann eine flächendeckende Nutzung von den Fahrzeugen gewährleistet werden.“ Auch Nutzfahrzeuge wie beispielsweise Gabelstapler könnten mittelfristig mit Wasserstoff betrieben werden. „Jedes noch so kleine Puzzleteil in der Industrie, das klimaneutral betrieben wird, trägt seinen Teil zu einer sauberen Umwelt bei“, weiß Richter.
Schnell und einfach wechseln
Fast überall dort, wo in der Industrie derzeit mit Erdgas zur Energiegewinnung gearbeitet wird, wäre der Wechsel hin zu Wasserstoff möglich. „Erdgas und Wasserstoff sind sich sehr ähnlich von der Nutzbarkeit, das lässt sich gut substituieren. Man kann somit relativ schnell und einfach wechseln und muss das Rad nicht neu erfinden“, sagt der studierte Wirtschaftsingenieur. Richter und seine Kollegen vom Kompetenzteam sind in ständigem Austausch mit Unternehmen im Kreis Düren und in der Region, um die Möglichkeiten des Einsatzes von Wasserstoff aufzuzeigen. „Derzeit sind wir im Gespräch mit dem Kosmetikhersteller Babor, der im interkommunalen Gewerbegebiet Inden/Eschweiler ein Grundstück gekauft hat und klimaneutral produzieren will“, sagt Richter. „Für die Produkte werden unter anderem kleine Glasampullen benötigt, die in der Fabrik mit hoher Temperatur aufgebrannt werden. Das ist sehr energieaufwändig, wofür Wasserstoff gut geeignet ist.“ So werden die Brenner, die die Glasampullen aufbrennen, derzeit noch mit Erdgas befeuert. Zudem ist bei Babor angedacht, die Logistik und die Nutzfahrzeuge auf Wasserstoffbetrieb umzustellen. „Das Kosmetikunternehmen und auch dessen Kunden legen viel Wert auf umweltbewusste Produktion. Wer in der Industrie frühzeitig auf Wasserstoff und regenerative Energien umstellt, könnte auf lange Sicht auch finanziell davon profitieren“, sagt Richter.
Auch in der Papierindustrie, einem traditionell wichtigen und großen Bereich im Kreis Düren, sieht der Wasserstoffexperte Potenzial. Allerdings bestehe in der Papierherstellung ein geringerer Wärmebedarf, weiß Richter. Dennoch könnte der Wasserstoff auch in der Papierindustrie dazu beitragen, Strom und Wärme zu erzeugen. „Allerdings ist die Umstellung nicht ganz so schnell umsetzbar, wie bei anderen Anlagen beispielsweise bei der Glasverarbeitung. Aber möglich.“ Richters Arbeit besteht vor allem darin, Potenziale in der Industrie zu erkennen und mit Unternehmen und Firmen ins Gespräch zu kommen. Auch die Zuckerfabrik in Jülich sei ein geeigneter Kandidat, um über den Wasserstoffeinsatz nachzudenken. „Überall dort, wo viel Energie gebraucht wird, setzen wir an und zeigen Möglichkeiten auf.“
CO2 einsparen
So auch in der Stahlindustrie, die viel mit Koks arbeitet, um Eisen zu gewinnen. Der kohlenstoffhaltige Brennstoff könnte auch in Zukunft durch Wasserstoff ersetzt werden, um Stahl herzustellen. „Das ist natürlich ein großer Industriezweig. Ein großer Teil der CO2-Emmissionen könnte dort eingespart werden.“ Auch für die chemische Industrie könnte Wasserstoff nützlich sein. Dort wird er direkt als Rohstoff eingesetzt, um beispielsweise Ammoniak herzustellen, was wiederum für die Herstellung von Düngemittel eine große Rolle spielt. „Noch wird Ammoniak durch Wasserstoff hergestellt, der mit Hilfe von Erdgas gewonnen wird (grauer Wasserstoff). Hier gilt es auch, die fossilen Energieträger auf dem umweltfreundlichen grünen Wasserstoff umzustellen“, sagt Richter. Es bewegt sich also viel. Sowohl die ortsansässigen Unternehmen können davon profitieren, als auch Firmen über die Grenzen hinaus, die in Zukunft mit grünem Wasserstoff aus dem Kreis Düren arbeiten können.