Noch lange kein Ende in Sicht
Das Forschungszentrum Jülich (FZJ) gehört zu den größten Forschungszentren Europas. Auch zum Thema Wasserstoff wird dort seit vielen Jahren geforscht. Und es ist noch lange kein Ende in Sicht, denn im Rahmen der Energiewende nimmt Wasserstoff einen sehr wichtigen Stellenwert ein. Die Wissenschaftler am Forschungszentrum Jülich arbeiten täglich an der Speerspitze der Forschung daran, dem Wasserstoff einen festen Platz in der Zukunft zu sichern. „Die Wasserstoff-Forschung am Forschungszentrum Jülich deckt die ganze Bandbreite ab, vom kleinen Detail bis hin zum großen Ganzen. Es geht sowohl um Grundlagen als auch Fragen zur Anwendung und den praktischen Einsatz“, erklärt Wissenschaftler Dr. Bastian Gillessen vom Institut für Energie- und Klimaforschung, wo seit mehr als 30 Jahren zu dem Thema geforscht wird. „Wir blicken auf eine langjährige Erfahrung zurück, die immer weiter ausgebaut wird. Wir am FZJ unterstützen mit unserer Forschung die Energiewende“.
Die Herstellung
Eine zentrale Rolle in der Forschung spielt dabei die Herstellung von Wasserstoff mittels Elektrolyse. Die Wissenschaftler untersuchen, wie diese Verfahren kostengünstiger und vor allem nachhaltiger gestaltet werden können. Auch die Brennstoffzelle, die etwa den Wasserstoff in Fahrzeugen für den Antrieb verwertet, wird weiter verbessert. „Hierbei spielen die Materialien eine wichtige Rolle. Diese müssen möglichst effizient, unbedenklich und günstig sein, damit die entwickelten Lösungen marktfähig werden“, sagt Gillessen.
Die Forscher am FZJ untersuchen beispielsweise auch ein innovatives Verfahren zur Wasserstoff-Herstellung, eine Alternative zu der verbreiteten Wasser-Elektrolyse: die künstliche Photosynthese. Die Wissenschaftler in Jülich haben zum ersten Mal ein kompaktes Design einer Anlage für die künstliche Photosynthese entwickelt. Diese kombiniert die Fähigkeiten einer Solarzelle und eines Elektrolyseurs. Sie funktioniert ähnlich wie ein künstliches Blatt: Aus Sonnenenergie wird chemische Energie, indem die Solarzellen Wasser direkt in Sauerstoff und Wasserstoff aufspalten, ohne den Zwischenschritt der Elektrolyse gehen zu müssen.
Die Speicherung
Die „flüssige Pfandflasche“ spielt eine sehr wichtige Rolle bei der Wasserstoff-Forschung am Forschungszentrum Jülich, denn das Verfahren ist innovativ und vielversprechend. Als „flüssige Pfandflasche“ für den Wasserstoff bezeichnen Forscher eine organische Trägerflüssigkeit, die auch „liquid organic hydrogen carrier“ (LOHC) genannt wird. Ähnlich wie beim Diesel handelt es sich um eine ölige Substanz, die schwer entflammbar ist, was sie somit recht sicher für den Transport und Lagerung macht. "Die neue LOHC-Technologie könnte eine zukünftige Transportmethode sein", sagt Gillessen. Ein Liter dieser Flüssigkeit bindet rund 650 Liter gasförmigen Wasserstoff, ein enormes Kapazitätspotenzial. Ähnlich wie Benzin ließe sich die Flüssigkeit mit dem gespeichertem Wasserstoff per Zug, Tanklaster oder Schiff befördern. Derzeit wird daran gearbeitet, eine einzigartige LOHC-Anlage im täglichen Betrieb zu testen, als Teil des "Living Lab Energy Campus". Das ist ein Reallabor auf dem Jülicher Forschungscampus, das die Energiesysteme der Zukunft erforscht. „Wir nutzen beim Reallabor seit rund zwei Jahren die eigene Energie-Infrastruktur auf dem Campus, um auch die Technologien, an denen wir forschen, auf ihre Alltagstauglichkeit hin zu prüfen. Das bezieht alle Energieformen mit ein, somit auch den Wasserstoff, der per Elektrolyse auf dem Campus hergestellt wird“, erklärt Gillessen.
Die Nutzung
Um Wasserstoff beispielsweise in Fahrzeugen zu nutzen, sind Brennstoffzellen notwendig. Es gibt auch Brennstoffzellen, die nicht nur Strom erzeugen, sondern alternativ auch für die Herstellung von Wasserstoff mit Hilfe von Elektrolyse nutzbar sind. Es werden somit die "zwei Wege" des Wasserstoffs bedient. Die „reversible Brennstoffzelle“ wurde in Jülich entwickelt und weist eine so hohe Effizienz auf wie keine andere vergleichbare Brennstoffzelle weltweit. „Nur Hochtemperatur-Brennstoffzellen können dies leisten, sie werden bei etwa 700 Grad Celsius betrieben“, erklärt Gillessen. Mehr als 10 Jahre (Weltrekord) und 100.000 Stunden hat eine solche Brennstoffzelle in einem Langzeitversuch am Forschungszentrum Strom erzeugt. Gillessen arbeitet in dem Bereich des Instituts, der das ganzheitliche Energiesystem (auch in Bezug auf Wasserstoff) in den Fokus rückt. Er und seine Kollegen untersuchen, wie verschiedene Sektoren wie beispielsweise Verkehr, Industrie, Energieerzeugung und Gebäude gut miteinander vernetzt werden können. „Es geht darum herauszufinden, wo der Wasserstoff bestmöglich eingesetzt werden sollte. Entsprechende Schnittstellen zwischen den Sektoren müssen geschaffen werden, damit nicht jeder Bereich nebeneinander besteht, sondern alles gut und effizient vernetzt ist“, sagt Gillessen. "Das Ziel der Bundesregierung ist, die Reduzierung von Treibhausgasen, um die Klimaneutralität zu erreichen. Wir gucken dann, wie ein geeignetes Energiesystem aufgebaut sein muss, um das zu erreichen und leiten Anforderungen an die Technologie ab“, sagt der Wissenschaftler.
Bis nach Afrika
Derzeit laufen am FZJ hierzu verschiedene Studien und Projekte, unter anderem das H2 Atlas-Africa Projekt. „Hier geht es darum, die Potenziale der grünen Wasserstoffproduktion zu erforschen und zu schauen, welche Mengen an Wasserstoff zu welchen Kosten erzeugt werden können“, sagt Gillessen. Das Projekt ist eine Kooperation des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und afrikanischen Partnern in Süd- und Westafrika. Ziel ist es, Energiesysteme zu schaffen, die vollkommen auf erneuerbaren Energien basieren. Die Ergebnisse werden in Form einer Landkarte präsentiert und zeigen, wo besonders gut grüner Wasserstoff auf Grundlage von Solarenergie hergestellt werden kann. Das ist vor allem für Investoren interessant. Einige Ergebnisse können bereits in einem interaktiven Wasserstoff-Atlas abgerufen werden. Als Exporteur von grünem Wasserstoff kann Afrika seine Bedeutung auf dem Energiemarkt stärken, die Bevölkerung vor Ort kann zudem vom produzierten Strom profitieren.
Das FZJ koordiniert zudem das Forschungsprojekt „iNEW“ (Inkubator für Nachhaltige Elektrochemische Wertschöpfung“), einer offenen Innovationsplattform, die Entwickler und Industrie zusammenbringt. Zusammen mit regionalen Unternehmen soll ein großes Netzwerk entstehen, um klimaschädliches CO2 mithilfe neuer Technologien als nachhaltigen Rohstoff nutzbar zu machen. Dabei spielt auch der Wasserstoff eine wichtige Rolle. „Wir in Jülich wollen den Wasserstoff und die Forschung mit Schwung vorantreiben und dabei hilft eine gute Vernetzung und viel Know-How in der Region – beides ist besonders hier im Kreis Düren ausgeprägt, was den Standort so attraktiv macht“, fasst Gillessen zusammen.
Teil der Helmholz-Gemeinschaft
Das Forschungszentrum Jülich ist Teil der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren. In zehn dieser Zentren deutschlandweit forschen Wissenschaftler zu Lösungen zur Energiewende auf Basis von Wasserstoffforschung. Um zukünftig die Rolle bei Innovationsprozessen im Rahmen des Strukturwandels auszubauen, wird zurzeit das „Helmholtz-Cluster für nachhaltige und infrastrukturkompatible Wasserstoffwirtschaft, Jülich“ ins Leben gerufen. Geplant ist ein Zusammenschluss von fast 100 Projekten aus dem Rheinischen Revier, die die Region nach dem Ende der Braunkohle stärken. Die gesamte Region würde somit zu einer Wasserstoff-Modellregion werden, in dem der Austausch zwischen Technik, Energieträger und Verbraucher untersucht werden kann.